Wie halten Ernährungsfachkräfte in Sozialen Medien mit selbsternannten Expertinnen mit? Was bedeutet überhaupt Erfolg auf Instagram oder LinkedIn? Und wie können sich die vielen Berufsgruppen im Gesundheitswesen gegenseitig stärken? Dazu habe ich die Social-Media- und Gesundheitsmanagerin Alisia Schrieder interviewt.
Ausgerechnet ChatGPT hat mich mit Alisia zusammengebracht. Ich hatte die KI für einen Artikel in der Schweizer Fachzeitschrift „Tabula“ nach Schweizer Ernährungsfachkräften gefragt, die in den Sozialen Medien erfolgreich sind. Und weil Alisia aus Baden (zehn Minuten von Basel entfernt) stammt, hat ChatGPT sie mir fälschlich unterjubeln wollen.
Richtig ist aber: die 27-jährige ist eine echte Expertin in Sachen Ernährung und Gesundheit. Mit einem Bachelor in Ernährungsmanagement und Diätetik und einem Master in Gesundheitsmanagement. Und richtig ist, dass Alisa sehr aktiv auf LinkedIn und Instagram ist. Aber ist sie auch erfolgreich? Daran knüpft also direkt meine erste Frage an.
Liebe Alisia, wie definierst du für dich Erfolg in den Sozialen Medien?
Der größte Erfolg ist für mich, wenn ich die Rückmeldung bekomme, dass mein Content nicht nur gefällt, sondern auch neue Erkenntnisse gebracht und geholfen hat. Natürlich spielen Zahlen irgendwo eine Rolle, man vergleicht sich ja auch. Aber gerade bei weniger Follower*innen ist die Möglichkeit, enger in den Austausch zu kommen, sehr viel größer. Das ist mir viel mehr wert als 100.000 Menschen, auf deren Fragen und Kommentare ich dann kaum mehr eingehen könnte.
Wahrscheinlich würde mir der Spaß an der Sache verloren gehen, wenn ich nur noch auf Zahlen schauen würde. Denn Erfolg ist für mich auch, zufrieden zu sein mit dem, was ich poste, wie ich mich widerspiegle und dass ich gemäß meinen Werten agieren kann. Keiner gibt mir haargenau vor, wie ich etwas zu schreiben, fotografieren etc. habe. Spaß und Selbstverwirklichung sind so garantiert.
Gibt es dabei Unterschiede zwischen LinkedIn und Instagram? In welche Plattform investierst du mehr Zeit und warum?
Auf LinkedIn herrscht mehr beruflicher, professioneller Austausch, wodurch ich meinen Content anders gestalte als auf Instagram. Aktuell bewege ich mich noch öfter auf Instagram, da ich dort schon meine Art und Weise gefunden habe, wie ich auftreten und kommunizieren, was ich teilen möchte. Das ist bei LinkedIn noch nicht ganz der Fall, aber ich finde hier nach und nach meinen Weg.
Instagram ist sehr viel schnelllebiger und auch interaktiver, da hierzu einfach mehr Möglichkeiten geschaffen werden. Das gefällt mir, denn mit mehr Austausch kann ich auch mehr erfahren, was meiner Zielgruppe wichtig ist und welche Bedürfnisse da sind. Auch finde ich auf Instagram öfter Anregungen für Inhalte und Formate, die gut ankommen und die ich für mich nutzen kann.
In deinem Artikel Social Media und der Einfluss auf die Gesundheitskompetenz schreibst du über die Gefahren durch Fehlinformationen, die Influencer zu Ernährungs- und Gesundheitsthemen verbreiten. Diese Gefahren sehen wir ja schon lange, aber bisher läuft alles einfach so weiter. Organisationen und die „seriöse“ Ernährungscommunity kommen nicht wirklich dagegen an. Oder siehst du das anders?
Sowohl als auch. Ich beobachte in letzter Zeit verstärkt qualifizierte Akteure, vor allem auf Instagram, die Aufklärung betreiben und damit eine Menge Leute erreichen. Es kommt hier natürlich auch stark darauf an, mit welchen Personen man vernetzt ist (Stichwort Filterblase). Aber mittlerweile wird auch der Begriff “De-Influencen” als Gegenstück zum typischen Influencen (also beeinflussen) benutzt. Darunter versteht man zum Beispiel, dass Dinge kritisch eingeordnet werden (z. B. bestimmte Ernährungstrends oder Produkte). Gleichzeitig fehlt bei bedeutenden Organisationen teilweise noch die nötige Durchschlagskraft. Damit habe ich mich übrigens auch in meiner Masterthesis beschäftigt, auf welcher der Artikel beruht. Hier ist also noch Nachholbedarf.
Ganz wichtig finde ich die Vernetzung von Ernährungsfachkräften und Organisationen. Es gibt zum Teil sehr erfolgreiche Formate, bei denen seriöse und qualifizierte Influencer (ja, die gibt es) mit Organisationen zusammenarbeiten und so Aufklärungsarbeit leisten können, die bei vielen ankommt. Es sollte weniger Gegeneinander, sondern mehr Miteinander geben. Darin sehe ich eine gute Möglichkeit, um effektiv gegen Desinformationen anzukommen.
Wie empfindest du dabei deine persönliche Rolle? Mit dem, was du auf deinen Kanälen teilst, und wie du mit anderen interagierst?
Meine Rolle sehe ich (aktuell) eher im Kleinen, aber im Persönlichen. Auch auf dieser Mikroebene finde ich es wichtig, meinen Teil beizutragen. Wie schon erwähnt, kann ich so viel besser in den Austausch mit Einzelnen kommen und detaillierter auf Fragen eingehen. Ich sehe mich auch als Stütze für größere Akteure, indem ich z. B. auf deren Inhalte verweise und damit meine Community dazu anregen kann, wirklich vertrauensvollen Profilen zu folgen und damit seriöse Informationen zugespielt zu bekommen.
Thematisch hast du dich auch auf die Gemeinschaftsverpflegung spezialisiert. Wie können die Sozialen Medien dabei helfen, deren große Bedeutung bekannter zu machen? Eine „bessere“ Ernährung in zum Beispiel Krankenhäusern oder Kitas zu erreichen?
Die sozialen Medien fungieren in der Hinsicht wunderbar zur Repräsentation nach außen. Hier ist es zum Beispiel toll, Einblicke in den Alltag der Gemeinschaftsverpflegung zu geben und die Menschen mitzunehmen. Was machen wir hier eigentlich? Wie sieht das aus? Wie funktioniert das alles? Auch kann man sie dazu nutzen, um mit den Stakeholdern in Kontakt zu kommen und ihre Bedürfnisse besser zu verstehen. Menschen mögen es, die Personen dahinter zu sehen. Das schafft Nahbarkeit und Vertrauen, aber auch Transparenz. Und das kommt immer gut an.
Du arbeitest als Social-Media-Managerin für die Physicians Association for Nutrition International (PAN). Was sind dort deine Aufgaben?
Ich betreue bei PAN die Social-Media-Kanäle (Instagram, Facebook, LinkedIn, X/Twitter) inklusive Content-Planung, -Erstellung, Posten und was sonst noch dazugehört. Zudem unterstütze ich unsere Zweigstellen in anderen Ländern bei der Social-Media-Arbeit (z. B. beim Design), helfe bei Übersetzungen und greife dem (ernährungs-)medizinischen Content-Team unter die Arme.
Glaubst du, wir brauchen eine stärkere Vernetzung zwischen den verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen, um insgesamt mehr Sichtbarkeit zu erlangen? Im Moment habe ich den Eindruck, alle kochen ihr eigenes Süppchen.
Ganz klares JA. Meiner Ansicht nach kann man viel mehr erreichen, wenn man sich vernetzt und gemeinsam Ideen austauscht und auch gemeinsam umsetzt. Jede Berufsgruppe hat andere Sichtweisen auf Thema XY und hier wieder andere Bedürfnisgruppen im Blick. Das führt nicht selten zu Augenöffnern, weil man andere Perspektiven einnehmen kann. Durch Zusammenarbeit kann man verschiedene Kompetenzen bündeln und Synergien nutzen, um die Sichtbarkeit zu erhöhen. Da muss man sich auch einfach mal trauen und auf andere zugehen.
Zum Abschluss möchte ich dich noch nach deiner persönlichen Work-Life-Balance fragen? Gönnst du dir zum Beispiel feste Offline-Zeiten oder ist das als Social-Media-Aktive unmöglich?
Sehr gute Frage! Tatsächlich ist das Jonglieren mit Offline- und Online-Zeiten nicht so einfach, zumal Soziale Medien sowohl privat als auch beruflich eine Rolle spielen. Daher ist es mir wichtig, regelmäßige Pausen einzulegen. Am Wochenende auch gerne mal einen ganzen Tag nicht auf Instagram und Co zu verbringen. Ganz wichtige Routinen sind bei mir: Keine Handynutzung im Bett, den Tag nicht mit Social Media scrollen starten und für Instagram habe ich mir ein tägliches Zeitlimit festgelegt. So funktioniert das meistens ganz gut. Sport, Kochen und Backen, Familienzeit und Natur bringen einen tollen und wichtigen Ausgleich dazu.
Alisia hat sich auf die Sozialen Medien spezialisiert. Sie betreut die Social-Media-Kanäle von Physicians Association for Nutrition International und schreibt für den Blog Essen und Ernähren. Ihre eigenen Accounts findet ihr hier auf LinkedIn und auf Instagram unter a_nourished_way.
